Texte aus der Auseinandersetzung mit aktuellen Themen

Gute Pädagogik in Risikozeiten – Widerspruch, Herausforderungen, Chancen.

Das Jahr 2020 war geprägt vom Umgang mit einer Herausforderung, die wir in einem solchen Ausmaß kaum erahnt haben. Die Ausbreitung des Corona-Virus wirkt in nahezu allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und gibt scheinbar Entscheidungsrichtungen in allen möglichen Dimensionen vor. In einer Zeit größter Verunsicherung, anfangs allein zur Gefährlichkeit des Virus und seinen Verbreitungswegen, später vermehrt auch zur Notwendigkeit der ergriffenen Gegenmaßnahmen, scheint die Kita als Institution nahezu widerspruchslos auf eine Rolle reduziert zu werden, aus der sie sich in jahrzehntelangem mühevollem Ringen gerade erst zu befreien begonnen hatte. Sie wird zum bloßen Betreuungsort für die Kinder der mehr oder weniger systemrelevant beschäftigten Eltern.

Spätestens mit Verkündung der Kitaschließung zum 16. März 2020 im Rahmen des ersten Lockdowns verschiebt sich der Fokus der Kindertagesbetreuung allein auf die Sicherstellung von Betreuungsangeboten für die Kinder jeweils unterschiedlicher Elterngruppen. Selbst noch im November 2020, acht Monate nach Beginn der Einschränkungen, wird in der öffentlich geführten Debatte zum Thema Kita um Regelungen zu Öffnungszeiten und Gesundheitsschutz der Pädagog*innen gerungen. Die Qualität der Betreuungsangebote, pädagogische Grundprinzipien wie die Kindzentrierung oder gar die Anerkenntnis von Kita als Bildungsort scheinen aus dem öffentlichen Bewusstsein zwischenzeitlich nahezu gänzlich verschwunden zu sein.

Wie also kann ein Zurück zu guter Pädagogik, ein Zurück zu einer konsequent an den Bedarfen und Bedürfnissen der Kinder ausgerichteten Pädagogik, gelingen?

Aus der Rolle fallen.

(Auszug aus Braun, Mario / Steffes, Daniela (2013): Aus der Rolle fallen. Geschlechterbewusste Pädagogik in der Praxis katholischer Familienzentren

Inklusive Pädagogik nimmt alle Kinder gleichermaßen in den Blick. Sie gestaltet Rahmenbedingungen, in denen Teilhabe für alle gleichermaßen ermöglicht wird und überwindet dabei in der alltäglichen pädagogischen Praxis Teilhabehindernisse.

Solche Hindernisse rühren in vielfältiger Weise aus tradierten Zuschreibungen, beispielsweise auch das Geschlecht betreffend.

Nach wie vor existieren in unserer Gesellschaft fest verankerten Geschlechter-Rollenmuster, die vor allem dann problematisch

werden, wenn sie Menschen daran hindern, ihr individuelles Potenzial zu entfalten, weil dieses etwa nicht den allgemeinen Vorstellungen zum jeweiligen Geschlecht entspricht. Der am Engagement im Haushalt interessierte Mann, die technisch interessierte Frau, der Junge mit Liebe zum Ballett oder das Mädchen mit Interesse am Kampfsport sind immer noch Exoten. Familienengagement und Sozialarbeit gelten immer noch als Frauendomäne, Handwerk oder Management als ausgemachte Betätigungsfelder für Männer.

Pädagoginnen und Pädagogen sind als Chancengeber aufgefordert, einschränkende Rollenzuschreibungen überwinden zu helfen und Kinder stark dafür zu machen, sich entsprechend ihrer individuellen Interessen und Fähigkeiten zu betun.

Grundlage dafür ist ein geschärfter Blick der Pädagog/innen für das eigene geschlechtsbegründete Verhalten.
 

Plädoyer für eine Praxis inklusiver Interaktion

Macht Inklusion! Plädoyer für ein Modell inklusiver Interaktion

(Auszug aus: Mario Braun, Jasmin Brück und Wolfgang Stadel: Macht Inklusion! Plädoyer für ein Modell inklusiver Interaktion In:  Alisch, Monika & May, Michael (Hrsg.:) (2015): "Das ist doch nicht normal...!" Sozialraumentwicklung, Inklusion und Konstruktionen von Normalität. Opladen, Berlin & Toronto: Verlag Barbara Budrich, S. 227-250

Seit dem Jahr 2009 ist die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung (kurz: BRK) von Deutschland ratifiziert und somit auch hier in Kraft. In fünfzig Artikeln, die alle Lebensbereiche umfassen, ist vertraglich festgehalten, wie die Rechte von Menschen mit Behinderung in den Unterzeichnerstaaten gewahrt werden sollen. Die BRK muss dabei in der Tradition anderer UN-Konventionen betrachtet werden und steht in direktem Zusammenhang mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948 und den folgenden UN-Konventionen. Die Vereinbarungen in der BRK haben das Ziel, Menschen mit Behinderung die Ausübung und Wahrnehmung ihrer Grund- und Menschenrechte zu ermöglichen. Die UN-Behindertenrechtskonvention entstand in der Konsequenz der Diskriminierung, Unterdrückung und Ungleichbehandlung ihrer Zielgruppe. Als Vereinbarung der Vereinten Nationen bezieht sie sich nicht auf nationale Gegebenheiten, sondern formuliert grundsätzliche Anforderungen.

[...]

Kritische Autor_innen sprechen mittlerweile von einer „Verwahrlosung des Begriffs [Inklusion]“ (Katzenbach 2015: 19) oder sehen in den radikalen Forderungen nach Inklusion Wesensmerkmale einer Ideologie und Ersatzreligion, die sich als „Religionskrieg” (Winkler 2014b: 30) äußert. Problematisch beim allgegenwärtigen Gebrauch des Inklusionsbegriffs ist die Vermischung verschiedener Betrachtungsperspektiven und Bedeutungszuschreibungen, was in der Folge zu nicht unerheblichen Widersprüchen führt und im Unklaren lässt, welche Vorstellung von Inklusion im jeweiligen Diskurs tragend ist. So vermischt sich das aus der BRK abgeleitete Inklusionsparadigma mit anderen Inklusionsbegriffen – seien es wissenschaftliche, politische, programmatische oder alltagssprachliche Vorstellungen – zu einem allgegenwärtigen Überbegriff. Bei näherer Betrachtung bleibt von der Inklusion möglicherweise nur eine semantische Gemeinsamkeit übrig. Inklusion bedeutet dann: Alle sind irgendwie dabei. Zur Inklusion hat man sich verpflichtet, jetzt muss sie auch erbracht werden. Dabei haftet mancher politisch motivierten Umsetzung nur der „Duft der Inklusion“ (Becker 2013: o.S.) an.

© Urheberrecht. Alle Rechte vorbehalten.